Corona verhinderte eine gemeinsame Auswertung des EX-IN Vernetzungstreffens in Kloster Irsee Ende Januar 2020 und die Mitnahme des dort gewonnenen Schwungs in unsere alltägliche Tätigkeit. Die vielen wertvollen geführten Erörterungen, entwickelten Ideen und hergestellten Kontakte sollten nicht verloren gehen.
Wir versuchen nun – sukzessive – einige Workshop- und Worldcafé-Ergebnisse, Eindrücke und Stimmen einzufangen hier einzustellen Es werden oft vielleicht bruchstückhafte und punktuelle Ein-/Ausblicke sein, aber doch Anregung und Ausgangspunkt sein können für ein bereits feststehendes
nächstes bayerisches EX-IN Vernetzungstreffen in Irsee am 26./27. Januar 2022
Eingefangene Stimmen:
- „Ich fühlte mich „positiv geflutet“ mit Infos, Im Workshop Nähe & Distanz war der Austausch sehr lehrreich, ich fühlte mich bestärkt in meiner eigenen Haltung
- Im Worldcafé fand ich interessant, dass Profis meinten, sie beneideten die Peers darum, so persönlich erzählen zu können, ihnen seien da „die „Hände gebunden“ (Christina W.)
- „Bei der Intervision, die ich für alle Genesungsbegleiter alle sechs Wochen anbiete, gab es durchwegs positive Rückmeldungen … Der Fachtag kam bei allen
Teilnehmenden aber gut an, die Workshops wurden als interessant bewertet, besonders gelungen wurde das Worldcafe beschrieben, weil da der Austausch
sehr gut empfunden wurde“ (Marion Hess, Kaufbeuren)
Worldcafé I
Thema: Welche Fortbildungen werden gebraucht
Thema: Trialog im Netz
Im Worldcafé TriN wurde sich über das Projekt Trialog im Netz (www.trinetz.de Online-Plattformstart Februar 2020) ausgetauscht. Gemeinsam wurde überlegt, wer von dem Projekt TriN wissen sollte und wie das Forum genutzt werden könnte. Besonders bereichernd war dabei die Vielfalt der verschiedenen Perspektiven, die die Interessierten in den Austausch mit einbrachten. Für das TriN-Projektteam waren die Ergebnisse sehr hilfreich und wurden in die Weiterentwicklung der Plattform mit einbezogen.
Thema: Erfahrungen als EX-IN Genesungsbegleiter*innen
In diesem Worldcafé sprachen wir über Erfahrungen als EX-IN-Genesungsb egleiter:innen. Viele verschiedene Aspekte wurden diskutiert:
Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Fachkolleg:innen wurden gesammelt.
Das FÜR und WIDER von der Benutzung von psychiatrischen Fachbegriffen als EX-IN Genesungsbegleiter:in wurde diskutiert z.B. „Sprache ohne Fachbegriffe ist sinnvolle, weil sie Not menschlich macht.“
Es wurde über die besondere Perspektive als GB gesprochen und dass diese Vertrauensvorschuss beim Psychiatrie-erfahrenen Genenüber auslöst. Eine solidarische Augenhöhe stellt sich ein. Auch über die Art dieser besonderen Perspketive als GB wurde gesprochen. Was macht sie aus? Es kam zur Sprache, dass Einrichtungen, die GB anstellen, sich insgesamt auf den Weg Richtung Recovery-Orientierung machen müssen. GB dürfen das nicht als Feigenblatt alleine verkörpern müssen.
Es wurde über die besondere Rolle von GB gesprochen und wie man diese kultivieren und in einem Profi-Team „halten“ kann.
Thema: Erfahrungen als Arbeitgeber
Worldcafé zum Thema Arbeitgeber
Im Worldcafé zum Thema „Arbeitgeber“ ging es in erster Linie um die Wünsche und Bedürfnisse von EX-IN GenesungsbegleiterInnen, dem Arbeitgeber und dem Team. In einem Beschäftigungsverhältnis eines EX-IN Genesungsbegleiters entstehen gegenseitige Entwicklungsprozesse und Erwartungshaltungen zueinander. Damit haben wir uns in diesem Worldcafé beschäftigt und uns Gedanken gemacht, was es braucht, damit EX-IN Genesungsbegleitung in den einzelnen Beschäftigungsverhältnissen gelingen kann.
Zunächst ging es um eine zentrale Fragestellung, die dann in 3 einzelne Teilfragen unterteilt wurde.
Allg. Frage:
Was wünschen sich die einzelnen Personengruppen voneinander, damit EX-IN Genesungsbegleitung gelingen kann?
Frage 1: Was wünscht sich der/die EX-IN GenesungsbegleiterIn von seinem Team und vom Arbeitgeber?
„Mentor“, Teilnahme am Team und/oder an der Visite, im Tandem arbeiten bei Bedarf, Interesse an EX-IN, Stellenbeschreibung sollte flexibel und individuell
bleiben, faire Bezahlung m. Eingruppierung, individuell vereinbare Tätigkeitsfelder, …
Frage 2: Was wünscht sich der Arbeitgeber von seinem Team und dem/der EX-IN GenesungsbegleiterIn?
Zeit, mehr Freiräume, Vertrauen, offener Austausch, Kommunikation, mehr Ressourcen, Stellenbeschreibung, gute Vorbereitung, Resilienz, klare Stellenbeschreibung, tatsächliche Gleichberechtigung, feste Anleitung/Ansprechpartner, Mitarbeitergespräche, „Augenhöhe“, Feedback-Bögen, …
Frage 3: Was wünscht sich das Team von seinem Arbeitgeber und dem/der EX-IN GenesungsbegleiterIn?
offener Austausch, Kommunikation, Transparenz, Information, mehr Aufklärung, keine Stigmatisierung
Thema: Offene Themen
Workshops
Thema: Fachlichkeit durch Erfahrung
In diesem Workshop ging es darum sich dem besonderen von GB anzunähern. Was macht die Fachlichkeit von GB aus? Was heißt Fachlichkeit durch Erfahrung? Können/Sollen GB die an sich selbst erlebte Fachbehandlung und Fachperspektive reproduzieren? Oder ist eine GB Fachlichkeit nicht gerade durch das Wissen um die Subjektivität des individuellen Krisen-Erlebens besonders und bereichernd? Wir haben in dem Workshop 3 Kategorien herausgearbeitet in denen sich GB Fachlichkeit abspielt. Die Haltung als GB gegenüber Psychiatrie-Erfahrenen (siehe Foto linke Spalte), die Rolle am Arbeitsplatz (siehe Foto mittlere Spalte) und die Werkzeuge, mit denen GB arbeiten (siehe Foto rechte Seite).
Es war ein sehr vielschichtiger Workshop bei der die Komplexität der Arbeit als GB deutlich wurde. Die anwesenden Fachkräfte stellten viele Fragen zu GB und dem Rollenprofil, so dass es zu einem interessanten Austausch von Erwartungen und Erfahrungen kam.
IIm anschließenden Worldcafé II sprachen wir über den Workshop am Vortag. Die Inhalte und Ergebnisse des Workshops wurden so für alle Tagungsteilnehmer:innen noch einmal greifbar und sie konnten die Thematik mit ihren Resonanzen weiter ergänzen:
Thema: Was heißt Scheitern bei EX-IN?
Bereits die Vorbereitung des Workshops zusammen mit Anne Hark brachte mir interessante Perspektiven. Wir diskutierten Fragen wie:
- Kann / darf man denn im Zusammenhang mit EX-IN den (vielleicht doch recht vernichtend wirkenden) Begriff des Scheiterns verwenden. Wo bleibt da die
Recovery? - Andererseits: warum soll die Erfahrung, ein selbst gesetztes Ziel nicht erreicht, eine Idee, einen Wunsch nicht verwirklicht zu haben nicht auch Scheitern
heißen dürfen? Warum gerade im Zusammenhang mit EX-IN nicht? (falsche Rücksichtnahme?) - Kann die Erfahrung des Scheiterns Menschen nicht auch über Professionen, Rollen und Funktionen hinweg verbinden?
- Und natürlich: Welches persönliche Wachstumspotenzial steckt in der Erfahrung von Scheitern?
Der Workshop selbst war sehr lebendig und das Thema wurde durchaus kontrovers diskutiert. Alt bekannte Themen wurden aufgegriffen wie: die Rolle und Akzeptanz von GB im Team, die Begrenzungen einer EX-IN Stelle in finanzieller Hinsicht und damit auch die Begrenzung des Stundenumfangs usw.
Ermutigend fand ich, dass es wohl doch mittlerweile viele GBs gibt, die sehr positive berufliche Erfahrungen gemacht haben. Somit war mein persönliches Fazit aus diesem Workshop auch: Scheitern als zutiefst menschliche Erfahrung darf, kann und wird es auch im Zusammenhang mit EX-IN geben. Aus solchen Erfahrungen lernen wir und entwickeln uns weiter. Das Wesentliche (aus meiner Sicht als Arbeitgeber) ist eine Atmosphäre zu schaffen, in der gegenseitige Erwartungen und Enttäuschungen ausgesprochen werden können und in der man gemeinsam überlegt, was aus einem „Scheitern“ zu lernen ist.
Eva Kraus, kbo-Sozialpsychiatrisches Zentrum gGmbH, Abteilungsleitung Sozialpsychiatrie, 85540 Haar
Was mir wirklich noch sehr prägnant im Kopf rumschwirrt aus dem Workshop „Was heißt Scheitern bei EX-IN für dich‘“ hat ein Teilnehmer auf eine Karte geschrieben „Wenn mein Tun keine Spuren hinterlässt“. Dieser Satz war für mich sehr wertvoll und einer der schönsten Momente.
Anne Hark, EX-IN Genesungsbegleiterin, Irren ist menschlich e.V., Regensburg
Thema: Wieviel Empowerment verträgt die Einrichtung?
Thema: Nähe und Distanz
Download: Literaturwände Fachtagung 2020
Bericht einer Teilnehmerin vom EX-IN-Vernetzungstreffen Bayern am 23.01. und 24.01.2020 im Kloster Irsee
„Nach der Begrüßung durch Dr. Stefan Raueiser, Leiter des Bildungswerks, und dem Grußwort von Barbara Holzmann, Vizepräsidentin des Bayerischen Bezirketags, referierte Prof. Dr. med. Thomas Becker, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II am BKH Günzburg, zum Thema „Aktuelle Psychiatrieentwicklung und die Chancen durch EX-IN Genesungsbegleitung“. Hierzu erläuterte er uns die von Experten und Verbänden erarbeitete „DGPPN S3-Leitlinie Psychosoziale Therapien“: Beim Thema Gemeindepsychiatrie werde hier die Recovery-Orientierung als Leitgedanke aufgeführt. Peersupport sei hierbei notwendiger Bestandteil. Insbesondere Beziehungsarbeit, Recoveryorientierung, Vernetzungen, Antistigmaarbeit und die Kritik an der Psychiatrie mache die Peer-Arbeit stark. Peer-Arbeit leiste v.a. einen wichtigen Beitrag zum Thema Selbstmanagement, also dem Umgang der Menschen mit sich selbst. Peersupport sei evidenzbasiert, die Wissenschaftsgrundlage sei fundiert. Peersupprt führe nachweislich zu einer Verbesserung der Lebenszufriedenheit und der Wohnsituation. In einigen Punkten sei Peersupport von allen Maßnahmen sogar am erfolgreichsten und zwar bei den Themen „Wie selbständig lebe ich?“, „Verkürzung der Zeit im Krankenhaus“ und „Reduzierung von Rückfällen“. Mit der zweitstärksten Empfehlung, die dieser Leitlinie zur Verfügung stehe, werde gefordert, dass Peersupport jedem Patienten zur Verfügung stehen sollte. Nun komme es auf die Implementierung dieser Leitlinie an.
Das zweite Thema von Prof. Dr. med. Becker war das EU-Projekt „Upsides“, bei dem die Universität Ulm federführend sei. Hierbei werde ein recoveryorientiertes Programm erarbeitet für Peer-Arbeit an den unterschiedlichsten Orten der Welt. Da Hilfen international ganz unterschiedlich verfügbar seien, könne es in manchen Ländern sinnvoll sein, bei Bedarf zunächst einen Peer in der Nähe zu kontaktieren und dann erst evtl. zum 100 km weit entfernten Psychiater zu reisen. Als Beispielland wurde Uganda genannt, das auf Peersupport setze. Es entfachte sich eine sehr lebendige, kontroverse Diskussion, da manche Zuhörer dieses Modell als Konkurrenz zu EX-IN sehen und eine Spaltung befürchten. Andere Teilnehmer gaben wiederum zu bedenken, dass man Gutes über verschiedene Wege erreichen könne.
Im Worldcafé I tauschten wir uns aus zu „Welche Fortbildungen werden gebraucht?“ „Trialog im Netz“, „Erfahrungen als Ex-IN Genesungsbegleiter*innen“, „Erfahrungen als Arbeitgeber“ und weitere „Offene Themen“.
Im Workshop „Nähe und Distanz“ wurden teils deutliche Unterschiede im Umgang mit Klienten deutlich: Siezen oder Duzen oder Beides? Umarmen? Manche Teilnehmer machen dies von der Situation und dem Kontext abhängig und entscheiden dies individuell. Teilnehmer/innen formulierten folgende Sätze: „Soviel Nähe zulassen, dass ich auch wieder loslassen kann.“ „Die Nähe/das Herzblut der EX-IN seien Sprengkraft für die Psychiatrie.“ „Sollten EX-IN mehr Distanz leben und Profis mehr Nähe?“ „Professionelle Nähe heißt: Ich lasse mich berühren und darf auch Schwäche zeigen.“ „Nähe zeigt sich auch in der Beständigkeit und im Hoffnung haben für den anderen.“
Weitere Workshops gab es zu den Themen „Auf Augenhöhe“, „Was heißt Scheitern bei EX-IN? „Wie viel Empowerment verträgt die Einrichtung?“ und „Fachlichkeit durch Erfahrung“.
Am Abend des ersten Tages fand eine Führung statt durch Dr. Stefan Raueiser zur Psychiatrie-Geschichte von Kloster Irsee.
Am 2. Tag gab uns Mario Leitgeber einen Einblick in die Arbeit der Peerberatungsstelle „omnibus“ in Österreich mit Praxisbeispielen unter den Gesichtspunkten von Recovery und Empowerment: Peerberatung, Gruppenangebote, Hausbesuche, online-Beratung, Schul- Polizei-, Gemeindebediensteten-, Kranken-und Gesundheitspflegeschule- und Rotes-Kreuzprojekte und wöchentliche Besuche im Vorarlberger Krankenhaus für Psychiatrie beinhaltet das Engagement dieser Peerberatungsstelle. „Omnibus“ wird vom Land Vorarlberg gefördert. Mario Leitgeber ließ uns sehr lebendig teilhaben an Beispielen aus seiner Peerberatungsarbeit und erzählte dabei auch von eigenen Erfahrungen, die ihn auch zu der Erkenntnis gebracht hätten, dass Depression und Psychose psychische Fluchtwege seien und das Darüberredenkönnen bereits Entstigmatisierung sei.
Klaus Nuißl, Kommissarischer Landessprecher EX-IN Bayern, berichtete über EX-IN Bayern: In ganz Deutschland arbeiteten mehr als 500 EX-INs, in Bayern seien es um die 100. – Es gebe in Bayern 5 Kursstandorte. – 2009/2010 sei EX-IN in Bayern gestartet. – Es gebe mittlerweile eine Fahrkostenübernahme durch den Bezirk. – Zusätzlich zu den 450,- Euro, die ein EX-IN bei einer geringfügigen Beschäftigung verdienen könne, würden nun vom Bezirk auch 150,- Euro für den Arbeitgeberanteil bezahlt für z.B. Versicherungen. So könnten nun die 450,- Euro in ganzer Höhe als Gehalt an die EX-INs gezahlt werden. – Es gebe eine neue Personalverordnung für die Psychiatrischen Kliniken, in der auch die EX-INs berücksichtigt würden, allerdings wohl noch ohne Eingruppierung. Nach dieser Personalverordnung würden zukünftig wohl die Krankenkassen die EX-INs bezahlen. Hierbei bestehe die Gefahr, dass es zwar EX-IN-Stellen geben wird, dafür aber weniger Profi-Stellen, so dass hier also eine Konkurrenz entstehen könnte und die Gefahr bestehe, dass die EX-INs verheizt werden. – Im Mai beginne ein EX-IN-Trainer-Kurs in München. (Nachtrag: Beginn erst im August 2020). – Es würden Schul- und Polizeiprojekte durchgeführt. – Bei Referententätigkeiten wirkten oft Betroffene und Profis zusammen. Auch für die Psychiatrischen Krisendienste und bei Bildungsträgern gebe es dementsprechende Fortbildungen. – Neben dem Minjob/geringfügige Beschäftigung sei es auch möglich die Ehrenamtspauschale (Aufwandsentschädigung) und die Übungsleiterpauschale zu erhalten, bis zu 2400,- Euro/Jahr müssten hierbei nicht versteuert werden. – Unter dem Stichwort „Bundesteilhabegesetz“ wurden qualifizierte und einfache Assistenzleistungen genannt, die von Ex-Ins und Profis im Tandem erbracht werden könnten. Und unter dem Stichwort „Pflegebudget“ wurde die Alltagsbegleitung erwähnt.
Im Worldcafé II wurden die Ergebnisse aus den Workshops des Vortages zusammengetragen.
Im Anschluss an das Vernetzungstreffen versammelten sich zahlreiche Interessierte, um sich zur geplanten Gründung für einen EX-IN Bayern e.V. zu beraten.
Mir persönlich ist von diesem Vernetzungstreffen besonders eindrücklich in Erinnerung geblieben, dass ich zwei Profis sagen hörte, dass sie die EX-INs beneiden würden, da diese von sich und ihren Erfahrungen mit Krankheit und Gesundheit erzählen können / sollen. Dies würden sie selbst auch gerne tun, es sei bei Profis aber nicht gewünscht, Kollegen würden dies negativ bewerten.
Auch nach dem offiziellen Programm saßen einige Teilnehmer/innen noch lange bei angeregtem Austausch zusammen.
Von vielen Teilnehmer/innen war zu hören, dass sie sowohl das Vernetzungstreffen als auch das Kloster Irsee als Ort des Vernetzungstreffens und die dortige Unterkunft und Verpflegung sehr geschätzt haben.
Christina Wyrwoll“
Bericht von zwei Teilnehmenden:
„Die Fachtagung war mit ca. 90 Teilnehmer*innen sehr gut besucht. Vertreten waren EX-IN Genesungsbegleiter*innen, Arbeitgeber und andere an EX-IN interessierte Personen
Zu Beginn der Tagung begrüßte Herr Dr. Raueiser, der Leiter des Bildungswerkes Irsee die Anwesenden.
Auch Frau Barbara Holzmann, die Vizepräsidentin des Bayerischen Bezirketags sprach in ihrem Grußwort über die Vorzüge von EX-IN in der Versorgung von Menschen mit psychischen Problemen und die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der EX-IN Genesungsbegleiter*innen.
Der kommissarische Landessprecher von EX-IN Bayern, Herr Klaus Nuißl stellte kurz die Geschichte von EX-IN im Freistaat vor und gab einen Überblick über den Ablauf der Tagung. Die Veranstaltung soll auch neue Impulse für EX-IN setzen.
Danach folgte das Worldcafé I mit den Themen:
1. Welche Fortbildungen werden gebraucht?
z. B. Schulung in Gesprächsführung oder Nähe bzw. Distanz zu Klienten, Erfahrungsaustausch und Vernetzung, Alltagsbegleitung als Ex-In, Supervision, Schulung in gewaltfreier Kommunikation
2. Trialog im Netz
z. B. Austausch über Finanzierung von Ausbildung, Informationen über Praktikumsstellen oder Arbeitsstellen, Facebookgruppen, Austausch von eigenen Erfahrungen
3. Erfahrungen von EX-IN Genesungsbegleiter*innen
z. B. Eigene Erfahrungen sind oft Türöffner, andere Betroffene verstehen und unterstützen, Genesungsbegleiter*innen wirken als Hoffnungsträger, leichter Zugang zu Klienten, eigene Psychiatrieerfahrung stellt Augenhöhe her
4. Erfahrungen der Arbeitgeber von EX-IN Genesungsbegleiter*innen,
z. B. Resilienz, Praktikum fördert mögliche spätere Einstellung durch gegenseitiges Kennenlernen, Vermittler zwischen Klient und Profi, Arbeit im Tandem mit Profis, Flexibilität in der Stellenbeschreibung, Berücksichtigung der individuellen Leistungsfähigkeit, Vorbereiten des professionellen Teams auf EX-IN Genesungsbegleiter*innen
5. Offene Themen
z. B. Liste über mögliche Arbeitgeber und/oder Praktikumsstellen gewünscht, Fortbildungsmöglichkeiten für EX-INler*innen, Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in allen Bereichen bis hin zu Ganztagsstellen, regelmäßige Supervision speziell für EX-INler*innen.
Nach der Mittagspause folgte ein Vortrag von Prof. Dr. Thomas Becker über die aktuelle Psychiatrieentwicklung und die Chancen durch EX-IN Genesungsbegleitung.
Die Begegnung mit der Psychiatrie ist die Begegnung mit einer eigenen Lebenswelt. Die Psychiatrie kann durch die teilnehmende Beobachtung der Patienten besser verstanden werden. Der Hintergrund der aktuellen Entwicklung liegt in der S3-Leitlinie der psychosozialen Therapien. Die Besonderheit der Leitlinie ergibt sich aus dem Diagnose übergreifenden Ansatz.
Psychosoziale Interventionen kommen systematisch auf den Prüfstand. Psychosoziale Therapien bilden eine wichtige Säule in der Behandlung und gehen über reine Behandlungsmaßnahmen hinaus.
Die Grundlagen psychosozialen Handelns liegen in Systemintervention, Einzelintervention und Selbsthilfe.
Recovery ist der prägende Leitgedanke. Betroffene sollen im individuellen Recoveryprozess unterstützt werden. Dabei ist Peersupport ein wichtiger Bestandteil. Dies gliedert sich in gegenseitige Hilfe, Beteiligung in Selbsthilfeorganisationen, Arbeit in psychiatrischen Diensten.Bei der Peerarbeit beteiligen sich Betroffene an Behandlung und Forschung der Erkrankung.
Es gibt zahlreiche Einsatzfelder.
Selbsthilfe verringert die Möglichkeit der Wiedererkrankung.
Der Nutzen der Selbsthilfe ist wissenschaftlich bewiesen.
Peersupport sollte jedem Patienten in der Psychiatrie zur Verfügung stehen.
Selbstmanagement ist ein bedeutender Teil der Krankheitsbewältigung.
Die EX-IN Ausbildung findet derzeit Deutschland weit an 36 Standorten statt.
Es sind etwa 250 EX-IN Genesungsbegleiter*innen in der Patientenversorgung tätig.
Die meisten Beschäftigungsverhältnisse sind Mini-Jobs (450 €).
In einem Jahr wurde ca. 200 Personen ausgebildet.
Die EUTB Stellen (Ergänzende Unabhängige Teilhabe Beratung) bieten die Chance für die Umsetzung von Peerberatung.
Als Fazit ist zu sagen:
Es besteht großes Interesse an EX-IN. EX-IN ist international weit verbreitet und in der aktuellen DGPPN S3-Leitlinie erfasst. Es ist wichtig, dass EX-IN durch die therapeutische Kultur in Einrichtungen, Kliniken und Diensten getragen wird.
Anschließend folgten Workshops, deren Ergebnisse am Folgetag im Wordlcafé II vorgestellt wurden.
Workshop 1: Auf Augenhöhe
Workshop 2: Was heißt Scheitern bei EX-IN?
Workshop 3: Wie viel Empowerment verträgt die Einrichtung?
Workshop 4: Nähe und Distanz
Workshop 5: Fachlichkeit durch Erfahrung
Nach dem Abendessen bestand die Möglichkeit an einer Führung durch das Kloster Irsee teilzunehmen.
Am zweiten Tag wurde die Peerberatungsstelle „omnibus“ in Österreich vorgestellt.
Mario Leitgeber von der Beratungsstelle führte in die Entstehungsgeschichte und Vereinsgründung von“omnibus“ ein. Die Stelle wird vom Land Vorarlberg gefördert.
Derzeit sind 5 Mitarbeiter*innen in Teilzeit und viele Ehrenamtliche in der Peerberatung tätig.
Die Interessenvertretung von Psychiatrie Erfahrenen bezweckt die Förderung der Gesundung und Verbesserung der Lebenssituation psychisch Erkrankter und erfolgt nach dem Peer Counceling Konzept.
Die Angebote bestehen in Gruppenangeboten und Freizeitgestaltung für Betroffene, Peerberatung, Telefondienst, wöchentlichen Besuchen im psychiatrischen Landeskrankenhaus auf Stationen, Hausbesuchen und Online Beratung.
In 2018 nahmen 519 Personen mit 3303 Einzeldienstleistungen das Angebot in Anspruch.
Die Dienstleistungen bestanden zu 34 % in Gruppenangeboten, zu 29 % in Telefonberatungen, zu 22 % in Peergesprächen auf Stationen im psychiatrischen Landeskrankenhaus und zu 15 % in Online Beratung, Hausbesuchen und sonstigen Angeboten.
Es wurden 32 trialogische Schulprojekte gegen Stigmatisierung durchgeführt.
Außerdem erfolgten Schulungen und Aufklärung bei Polizei, bei Gemeindebediensteten und beim Roten Kreuz.
Bei den Beispielen aus der Praxis der Beratung sprach der Referent leider fast nur von seiner eigenen Krankengeschichte.
Der Programmpunkt „Berichte aus der Schweiz“ von zwei dortigen Genesungsbegleiterinnen musste wegen der Absage der Referentinnen leider entfallen.
Statt dessen gab Klaus Nuißl noch einen Überblick über den derzeitigen Stand von EX-IN Bayern.
Derzeit sind über 100 EX-IN Genesungsbegleiter*innen in den Bezirken Oberbayern, Schwaben, Oberpfalz, Mittelfranken und Unterfranken beschäftigt.
Es gibt Kursangebote an 5 Standorten.
EX-IN ist seit ca. 10 Jahren in Bayern präsent.
Hauptsächlicher Wunsch ist die Ausweitung der Stellen von Mini-Jobs auf Teilzeit- oder Ganztagsstellen.
Die Stellenangebote sind leider oft weit entfernt vom Wohnort der EX-IN Genesungsbegleiter*innen. Für die Fahrtkosten von der Wohnung zur Arbeitsstelle gibt es keine Kostenübernahme.
Seit kurzem können EX-IN Genesungsbegleiter*innen auch in Kliniken arbeiten.
EX-INler*innen könnten auch im Team mit Profis für Assistenzleistungen tätig werden (Alltagsbegleitung von Erkrankten, bezahlt aus deren persönlichem Budget)
Der nächste Programmpunkt war des Worldcafé II mit der Vorstellung der Ergebnisse aus den Workshops vom Vortag.
1. Auf Augenhöhe:
z. B. Akzeptanz im multiprofessionellen Team, gewaltfreie Kommunikation, eigene Haltung und Einstellung prüfen
2. Was heißt Scheitern bei EX-IN?
z. B. Kurs nicht abgeschlossen – später das nachholen, was noch fehlt, Alternativen zu EX-IN, Entwicklung braucht Zeit, Perspektivverlust, mangelnde Kommunikation, Ausgrenzung im Team
3. Wie viel Empowerment verträgt die Einrichtung?
z. B. Möglichkeit eigene Ideen einzubringen, Akzeptanz im Team, Umsetzungsmöglichkeit der eigenen Ideen beachten – Nicht alles geht auch, 1000 Möglichkeiten führen zu Recovery (Methoden – Techniken)
4. Nähe und Distanz
z. B. Nähe und Distanz sind für jeden Menschen individuell, Menschliche Nähe und Anteilnahme ist trotz gewisser Distanz möglich , eigene reflektierte Grundhaltung ist erforderlich, Weiterentwicklung durch Intervision, Supervision, Verhaltensmodelle von anderen Kollegen prüfen, gute eigene Intuition, Wahrnehmung der Beziehungssituation, Rollenklarheit, Behandlung des Themas im EX-In Kurs, ggf. eigenes Modul
5. Fachlichkeit durch Erfahrung
z. B. Fachlichkeit durch eigene Krankengeschichte, Experte in eigener Sache, neue Erkenntnisse für das Team, Reflexion, Vorbereitung, Weiterbildung
Anschließend wurde noch ein Gruppenfoto der Teilnehmer*innen gemacht.
Nach dem Mittagessen folgten für Interessierte noch Ausführungen für die bevorstehende Vereinsgründung EX-IN Bayern und eine Einführung in den Entwurf der Vereinssatzung.
Der Austausch und die Anregungen unserer EX-IN Kolleg*innen war sehr interessant und informativ. Wir haben viele neue Erkenntnisse mitgenommen.
Außerdem haben wir uns sehr gefreut, andere Teilnehmer*innen aus unseren EX-IN Kursen wiederzusehen.
A.W. und R.S.“