Erfahrungsberichte aus Kursen und Fortbildungen
Bericht von zwei Genesungsbegleiterinnen zur Fortbildung Peerarbeit in der Familie – „Miteltern“ – Dezember 2021
„Ich möchte meine Erfahrungen aus der Weiterbildung ‚Mit-Eltern‚ von Gyöngyvér Sielaff gerne in Form eines kleinen Vergleichs teilen:
Ich bin eine mittelgroße Zimmerpflanze, stehe artgerecht vor einem großen Westfenster und werde regelmäßig gegossen. Ich bin glücklich und zufrieden. Mein Sprössling sprießt direkt neben mir. Ich genieße die Nähe. Um uns herum stehen noch weitere Blumentöpfe. Alle sind so schön grün. Das ein oder andere vergilbte Blatt fällt gar nicht auf. Wir bekommen Besuch von Gyöngyvér und sind schon alle sehr gespannt. Sie umrundet uns mehrfach, sieht sich eingehend unsere Umgebung an und untersucht die Qualität der Blumenerde. Sie erzählt dabei viele Geschichten aus der Botanik und wir hören aufmerksam zu. Ihre Hände wandern flink hin und her. Hat sie uns gerade gedüngt? Hmm, das tut ja gut. Ein Rascheln wandert durch meine Blätter. Sie wird mir doch wohl nicht meine Äste stutzen?! Zum Glück nicht – sie zupft nicht an mir herum. Ein bisschen mulmig wird mir dann doch: Sie verschiebt meinen Topf, dreht ihn. Ich verstehe nicht. Ich schaue an mir herunter, stelle erschrocken fest, dass ich die ganze Zeit einen Schatten auf meinen Sprössling geworfen hatte. Gefühle prasseln auf mich nieder … Schuld, Scham. Mein ganzes Dasein wirkt sich auf meinen Sprössling aus … auch mein Schatten. Endlich ist es raus. Ich mag loslaufen, meine Erfahrungen teilen, Brücken bauen, Worte finden …
… und all das ’nicht moralisch’, sondern Mit-Gefühl. Mein aufrichtiges Dankeschön.“,
Anja Seidel, Genesungsbegleiterin, München, Dezember 2021
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„Was habe ich mir dabei nur gedacht?
Wenn man in der Adventszeit eine Weiterbildung macht, muss es schon was Besonderes sein.
Das Mit-Eltern- Projekt habe ich 2018 auf der EX-IN Fachtagung in Nürnberg kennen gelernt und war gleich Feuer und Flamme. Aber für mich war es bisher einfach nicht möglich von Bayern aus diese Weiterbildung in Hamburg zu machen. Darum kam es für mich als ein Geschenk daher, als es hieß, dass Gyöngyvér Sielaff die Weiterbildung online anbietet.
Wir waren leider nur zwei von acht Teilnehmer*innen, die aus Bayern kamen.
Jetzt haben wir das 2. Modul hinter uns, und ich kann sagen, EX-IN funktioniert auch online. Die Nähe und der Erfahrungsaustausch gehen auch über Zoom. Klar, dass auch mal die Technik spinnt, aber bisher ist unsere Gruppe gut damit klargekommen.
Es ist – wie auch bei der EX-IN Qualifizierung – spannend die Erfahrungen der anderen Teilnehmer*innen zu hören und es bereichert mich wieder einmal sehr. Einige der Teilnehmer*innen arbeiten schon in der Familienhilfe oder Beratun, was für mich besonders interessant,da das „Mit-Eltern-Projekt“ in Bayern noch nicht so richtig angekommen ist.
Was hätte ich mir damals in der Krise von einer/m „Mit-Eltern“ gewünscht? Was sollte ein*e Genesungsbegleiter*in in der Familienhilfe mitbringen? Darum ging es im 2.Modul ,und ich denk, dass ich nun in der Lage bin, ein eigenes Profil für eine Bewerbung zu erstellen.
Gyöngyvèr Sielaff ist das Herz dieses Projektes und das spürt man in der Weiterbildung in jeder Stunde.
Im 3. Modul kamen dann noch einige Fachkolleg*innen aus der Familienhilfe und dem Jugendamt dazu. Es war ein reger und spannender Austausch, und wir waren uns alle einig, dass die Beteiligung von Peer`s in der Familienhilfe längst überfällig ist.“
Claudia Graefen-Schilcher, Dezember 2021
Bericht einer Genesungsbegleiterin zur Fortbildung „Suizidalität“
„Morgens halb zehn in Deutschland … vielleicht war es auch etwas später, vielleicht auch in der Schweiz: Ich checkte meine E-Mails und traute meinen Augen kaum, da stand es schwarz auf weiß mit ein bisschen orange ´Fortbildungsmodul Suizidalität´, eine Einladung. Verstand und Bauch stimmten überein und ich meldete mich ohne zu zögern an. Schwuppdiwupp (zirka drei Wochen später) saß ich in Würzburg zwischen vielen neuen Gesichtern und auch zwei bekannten im bewährten Stuhlkreis und wartete gespannt auf die offizielle Begrüßung, damit es endlich losgehen konnte. Als Nächstes folgte in erprobter Manier das Blitzlicht. Bereits jetzt ließ sich das Potenzial der Runde erahnen. Die einzelnen Blitzlichter potenzierten sich zu einem Wetterleuchten, in ihrer Vielfalt wunderschön und äußerst energiegeladen. Es entstanden Nähe, Wertschätzung und Offenheit bei gleichzeitiger Verletzlichkeit … Vertrauen. Ging nur mir das so? Papperlapapp, emotionale Verbundenheit braucht eine:n Gegenüber und wir sind hier schließlich bei EX-IN, Erfahrungsexpert:inn:en auch beim Gegenübersein. Die Trainer Wolfgang und Elias ließen uns durch gezielte Aufgaben- und Fragestellungen immer tiefer in das Thema Suizidalität eintauchen, stets bemüht, den imaginären roten Faden nicht zu verlieren. Das didaktische Mittel Erfahrungsaustausch in seinen verschiedenen Varianten war das Mittel der Wahl. Unsere Ergebnisse waren beachtlich.
Der EX-IN ´Spirit´ ist geflossen. Wir waren EX-IN ´verlinkt´.
Und was ist mir aus dem Kurs geblieben … so ganz persönlich? Ein wunderbares Gefühl, das ich gerade so schmerzlich vermisse: Ich fühlte mich gehalten und konnte Halt geben … in einer Gruppe von Menschen, die ich gerade erst kennengelernt hatte. Aber auch inhaltlich konnte ich ein ganzes Potpourri an frisch erarbeiteten Erkenntnissen und Perspektiven mitnehmen. Einige davon mag ich explizit und schlagwortartig erwähnen:
Institutionelle Gewalt bleibt spätestens dort zu hinterfragen, wo sie schutzbedürftigen Individuen den Raum zum Leben nimmt und sie in die Suizidalität treibt. Das darf nicht mehr passieren.
Keine:r stirbt allein. Auch nicht, wenn mensch aus Liebe selbstbestimmt geht. Meine Tochter hätte ein Leben lang daran zu tragen gehabt, wenn ich gegangen wäre.
Ein Zitat zum Schluss: ´EX-IN ist kein Kurs, EX-IN ist eine Lebenseinstellung!´
Ein herzliches Dankeschön an alle, die zum Gelingen dieses Moduls beigetragen haben.“,
Anja Seidel, Genesungsbegleiterin, München, Oktober 2021
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Mein Weg zu und durch den EX-IN Genesungsbegleiter Kurs II in München
Bericht eines Kursabsolventen von Kurs München II:
Durch einen Zeitungsbericht habe ich das erste Mal von EX-IN gehört und gelesen.
Über den SpDi Ebersberg bekam ich dann alle nötigen Informationen über das Pilotprojekt und war sofort begeistert. Zugleich wurde eine offene Männergruppe im SpdI Ebersberg gegründet, die Leitung hat Herr Michael Herrmann, der selber Genesungsbegleiter ist. Über Michael bekam ich alle wichtigen Informationen, wie ich mich zum nächsten EX-IN Kurs in München 2014/15 anmelden kann und welche Voraussetzungen nötig sind, z.B. Finanzierung und Zulassungskriterien.
Zu den ersten Bewerbertreffen waren sehr viele Interessenten gekommen, und nach dem dritten Treffen blieben etwa 25 Bewerber übrig, ich war einer davon. Nach der Zusage zum Kurs zugelassen zu werden kam relativ schnell das erste Modul, ich war sehr gespannt, was kommt?
Jedes Modul (es sind 12 Module) stand unter einer anderen Überschrift, und wir arbeiteten überwiegend in Gruppen. Es wurde uns vom Ich-Wissen zum Du-Wissen zum Wir-Wissen vermittelt, was für uns neu war aber auch neugierig machte. Durch das Reflektieren unseres eigenen Lebens und unserer eigenen Krankheitsgeschichte bekam ich Zugang zu meinen eigenen Strategien, die mir geholfen haben wieder gesund zu werden und meine Krankheit besser zu verstehen.
Die zwei Praktika, die ich im SpDi Giesing und im kbo Isar Amper Klinikum abgeleistet habe gaben mir einen ersten Einblick auf meine Arbeit als Genesungsbegleiter und waren ein wichtiger Bestandteil des Kurses.
Für mich war der Kurs eine Möglichkeit meine berufliche Orientierung vom Experten aus eigener Erfahrung über den Begriff „Genesungsbegleiter EX-IN“ zur Berufung werden zu lassen.
Ich freue mich bald eine Arbeitsstelle zu finden, um Menschen, die sich in einer seelischen Krise befinden heraus helfen zu können.
Kurt Lausch, Genesungsbegleiter EX-IN, September 2015
mit dem „ersten EX-IN Begleithund“ Ingo